M e i n e H
ü n d i n A l b a
NACHRUF, verfasst Anfang Juni 2001,
veröffentlicht November 2002
Eigentlich sollte sie ja nur als „Ersatzmann“ für meinen damals etwa
dreijährigen Rüden Learoy einspringen, als sie Anfang Juni 1999 zu
mir kam. Learoy´s hundesportliche Karriere schien durch einen
schlechten HD-Befund plötzlich ein Ende zu nehmen. Und da ich
unleidlich bin, wenn ich nicht täglich mit meinem Hund trainieren
kann, haben mich alle meine Freunde und Verwandten zu der Einsicht
gebracht, dass ein „neuer“ Hund her muss.
Ganz nebenbei erwähnt, Learoy erfreut sich nach wie vor am Training,
hat trotz des damaligen Befundes keine augenscheinlichen Schmerzen
und musste bis heute nie diesbezüglich tierärztlich behandelt
werden. Im Gegenteil, er hat mir riesige Freude bereitet, als wir
gemeinsam 1999 den ÖGV-Regionalcup in der BGH2 gewonnen hatten.
Außerdem hat er, trotz reduziertem Training im Jahr 2000 alle drei
SCHH-Prüfungsstufen bewältigt und zusätzlich eine FH2-Prüfung
erfolgreich abgelegt.
Aber nun zurück zu Alba! Sie wurde nicht nur von mir, sondern von
meiner ganzen Familie, inklusive Learoy, ausgesucht. Alba war eine
vollständig schwarze Deutsche Schäferhündin, gezüchtet aus so
genannten „Arbeitslinien“, das heißt, ihre Ahnen haben durchwegs
bemerkenswerte Leistungen im Hundesport oder auch im
Diensthundewesen erbracht. Und sie hat meinen Rüden im Sturm
erobert! Er hat sofort bei der ersten Begegnung auf einem
Ausbildungsplatz, wo die junge Hündin zum ersten Mal anwesend war,
wie ein „guter Onkel“ mit ihr zu spielen begonnen und ihr gezeigt,
was der Platz alles zu bieten hat. Meine Kinder und meine Frau waren
ebenfalls sofort begeistert von ihr, nur ich hatte meine Zweifel!
Konnte dieses kleine Hündchen tatsächlich einen gerechten Platz in
meinem doch so streng verplanten Leben einnehmen? Würde ich es
schaffen, sie genau so innig zu lieben wie meinen Rüden, wo ich doch
immer behauptet hatte, ein richtiger Mann müsse einen Rüden führen
und außerdem seien Hündinnen ja nicht konstant in der
Arbeitsleistung? Heute weiß ich, dass ich insgeheim Angst hatte,
mich an einen jungen Hund zu binden, um dann eventuell feststellen
zu müssen, dass sie die in sie gesteckten hohen Erwartungen nicht
erfüllen kann oder, dass ich nicht in der Lage sein könnte, mit zwei
Hunden vernünftig zu trainieren und dass ich dann womöglich
entscheiden müsste, welchen der beiden ich im Training zurückstellen
müsste.
Nach wenigen Tagen Bedenkzeit, holten wir Alba am Sonntag Vormittag
beim Züchter ab. Da sie bereits ungefähr elf Wochen alt war, war sie
schon sehr stark an den Züchter gebunden und es hat ihr
offensichtlich Sorgen bereitet, was denn da nun auf sie zukommen
würde. Wir haben ihr jedoch einen interessanten Tag geboten, mit
Ausflug und Spaziergang, gemeinsam mit Learoy, und als sie abends
heim kam, war sie so müde, dass Fressen und Schlafen ihre einzigen
Bedürfnisse waren.
Der nächste Tag war mit herumschnüffeln im für Alba neuen Haus
ausgefüllt. Nachmittag hatte ich etwas Zeit und führte die beiden
Hunde im Haus zusammen, setzte mich auf den Boden und beobachtete
mit Argusaugen das sofort einsetzende Spiel der beiden. Learoy
schlüpfte sofort wieder in die Rolle des „guten Onkels“ und bald war
ein typisches Spiel junger Hunde entstanden, bei dem Alba die nähere
Umgebung meiner Kanzlei gezeigt wurde. Sie lernte, wo es gute
Möglichkeiten zum Verstecken gab, in welche Kabel man nicht
hineinbeißen darf und wie weit man den Rüden quälen darf, bevor man
gerügt wird. Und das alles ohne mein Zutun. Was ich lernte, war die
Vielfältigkeit der stimmlichen Ausdrucksfähigkeit meiner kleinen
Hündin. Das hatte Learoy nie gezeigt! Offensichtlich hat er dieses
Verhalten nicht für nötig erachtet, ich hätte es ohnehin nicht
verstanden und anderer Hund war keiner im Haus. Aber Alba untermalte
nahezu jede ihrer Handlungen mit einem eigenen Laut, auf den Learoy
auch entsprechend reagierte. Mit viel Mühe ist es mir gelungen, im
Laufe etlicher Wochen und Monate diese Lautsprache ein wenig kennen
und verstehen zu lernen, auch konnte ich manchen Laut zur
Verblüffung meiner Hunde nachahmen, was teilweise zu sehr fragenden
Gesichtern der Hunde führte. Überhaupt habe ich festgestellt, dass
Alba ein sehr ausdrucksstarker Hund war, jedoch habe ich bei ihr nie
ein „lächelndes“ Gesicht erlebt. Sie konnte mir sehr wohl zeigen,
wenn sie zufrieden oder glücklich war, aber ein Lächeln, wie Learoy
es zeigen kann, habe ich bei ihr nie gesehen. Ihre mir gegenüber
stets freundlichen Augen boten mir einen ungetrübten Einblick bis in
die tiefsten Winkel ihrer „Hundeseele“, ihr fragender oder
auffordernder Blick war auch stets mit der entsprechenden
unterstreichenden Mimik und Gestik verbunden, aber im Grunde ihres
Herzens war sie stets ein sentimentaler, vielleicht sogar
melancholischer Typ, obwohl sie gleichzeitig zu hundert Prozent
lebensbejahend und unternehmungslustig war. Der geschätzte Leser
dieser Zeilen wird vielleicht jetzt glauben, ich würde meine Hündin
vermenschlichen und ihr Eigenschaften aufdichten, die ein Hund gar
nicht haben kann! Möglicher Weise ist das auch richtig, aber man
möge mir erklären, wie ich in meiner menschlichen Sprache hundliche
Charaktereigenschaften und Wesenszüge beschreiben soll als in den
Menschen geläufigen Bildern? Alba hätte wahrscheinlich all dies mit
einem einzigen „Wuff“ erklärt, ich bin aber leider an das Wort
gebunden.
Alba sollte schließlich ein Sporthund werden, daher begann ich sehr
früh mit einfachen, spielerisch übermittelten Übungen mit dem Hund.
Dies waren sowohl Beutespiele als auch Übungen aus dem Bereich der
Unterordnung sowie der Fährtenarbeit. Kaum hatte ich Alba gezeigt,
dass Herrchen derartiges tut, war aus der Sicht der Hündin kein Ende
mehr abzusehen. Ihre gesamte Ausdrucksmöglichkeiten ausschöpfend
sagte sie nahezu ohne Pause „Komm, ich bin noch nicht müde! Ich will
weiterspielen, lernen und aktiv leben!“. Ob sie damals schon gewusst
hat, wie rasch ihr Leben verbraucht sein würde? Jedenfalls gelang es
ihr innerhalb kürzester Zeit der Zusammenarbeit – ich verwende
dieses Wort mit Absicht, denn Alba hat sich mir nie untergeordnet
sondern bewusst und gerne mit mir gearbeitet – mich an sie zu
binden. Sie hat mir uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht,
auch dann, wenn manche Situation in der Ausbildung nicht ganz in
ihrem Sinne verlaufen ist, denn letztendes habe doch immer ich
bestimmt, was zu geschehen hat und was nicht, wann gespielt wird und
wann nicht. In solchen Situationen hat sie zwar gemurrt, aber nie
die Arbeit verweigert, denn in Wahrheit war es für uns beide immer
schön, gemeinsam zu trainieren oder zu spielen. Und wenn ich abends
manchmal Zeit hatte, war es für uns beide ein Bedürfnis diese
Stunden in Ruhe und Frieden, möglichst gemeinsam mit der ganzen
zwei- und vierbeinigen Familie, eng angeschmiegt zu verbringen.
Eine große Veränderung in Albas und unser aller Leben trat ein, als
meine Frau eine acht Wochen alte Weiße Schäferhündin kaufte. Uma war
fast exakt zwei Monate jünger als Alba und eine ziemlich freche
kleine Hündin. Obwohl sie Alba körperlich unterlegen war, hat sie
kaum eine Gelegenheit ausgelassen, ihr zu zeigen, dass sie nicht nur
da war, sondern auch Anspruch auf Beachtung anmeldete. Die meiste
Zeit waren die beiden jungen Hündinnen damit beschäftigt, sich
gegenseitig alles anzutun, was einem Junghund auch nur in den Sinn
kommen kann. Wenn sie jedoch gemeinsam zur Tat schritten, waren ihre
Erfolge enorm. So gelang es ihnen eines Nachts, die kastenfertige
Bügelwäsche, eine mehrstündige Arbeitsleistung meiner Frau, in
heilloses Durcheinander zu bringen und auf dem Wohnzimmerfußboden zu
verteilen. Zu allem Überdruss jedoch, rissen sie eine, angeblich für
Hunde giftige Topfpflanze von einem Kasten, der etwa doppelt so hoch
war, wie die größere Alba, auf den Hinterpfoten stehend gemessen,
und zerteilten Topfscherben, Blumenerde und Pflanze in winzige
Teile, die sie dann möglichst gleichmäßig über die am Boden liegende
Wäsche verteilten. Dies geschah noch dazu an einem Sonntag, an dem
ich mit Learoy in einem nicht gerade unwichtigen Turnier starten
wollte. Als wir zeitig (es war noch stockdunkel, obwohl erst Anfang
September) aufstanden, sahen wir die Bescherung und wussten nicht so
recht, ob wir das Turnier absagen sollten und mit unseren Hündinnen
sicherheitshalber den Tierarzt aufsuchen sollten, da wir die Folgen
einer Vergiftung durch die Pflanze befürchteten. Unsere Sorge war
jedoch völlig unbegründet, denn die beiden litten weder unter
Übelkeit noch Durchfall und zeigten auch sonst keinerlei Anzeichen
irgendeiner Folge ihres nächtlichen Abenteuers. Die einzigen, die
eine Lehre aus diesem Abenteuer gezogen hatten, waren meine Frau und
ich, denn wir besorgten auf schnellstem Weg für die beiden Hündinnen
Schlafboxen, in denen sie von da an getrennt die Nächte verbrachten.
Mit gerade einmal sechs Monaten zeigte sich bei Alba eine
Veränderung in ihrem Verhalten an. Sie wurde unruhig und
signalisierte Dominanzverhalten gegenüber der jüngeren Uma. Die
erste Läufigkeit warf ihre Schatten voraus. Für Learoy und mich kam
eine sehr harte Zeit auf uns zu, denn Alba wusste über ihren
„Zustand“ genau bescheid und wollte unbedingt von meinem Rüden
gedeckt werden. Dieser war zwar willig und hoch interessiert, musste
jedoch murrend zur Kenntnis nehmen, dass ich keineswegs einer
Vereinigung der beiden zustimmen würde. Dieser Zustand dauerte ganze
drei Wochen an! Am Ende dieser Zeit waren mein Rüde und ich
nervliche Wracks und Alba zeigte, dass sie einen ziemlichen
Eigensinn entwickeln konnte. Dies tat zwar ihrem Arbeitseifer keinen
Abbruch, jedoch fehlte ihr das nötige Verständnis für gewisse
Situationen, die im täglichen Training auftraten. Das Hauptproblem
war das Auslassen eroberter Beute. Ich trainierte mit meiner Hündin
über Motivation durch Beute. Dazu ist es natürlich nötig,
richtiges Verhalten des Hundes durch ein kurzes Beutespiel zu
bestätigen. Bis vor der ersten Läufigkeit war es kein Problem, die
Spielbeute dem Hund wieder abzuverlangen, das „Aus“ durch einen
Leckerbissen zu bestätigen und mit dem Training fortzufahren. Ab
diesem Zeitpunkt war jedoch das Auslassen immer mit einem gewissen
Stress für Hund und Hundeführer verbunden, wobei ich regelmäßig
festgestellt habe, dass etwa zwei bis drei Wochen nach der
Läufigkeit die hierfür schlimmste Zeit war. Anschließend, bis kurz
vor der nächsten Läufigkeit, war die Hündin wieder zu ihrer normalen
Arbeitsfreude zurückgekehrt. Zu meinem Erstaunen trat das Ereignis
der Läufigkeit bei Alba regelmäßig alle vier Monate ein! Der Zyklus
war somit sehr kurz, denn selten werden Hunde in der Größe eines
Deutschen Schäferhundes dreimal im Jahr läufig. Dies soll nicht
bedeuten, dass Alba nicht auch in ihrer „kritischen Zeit“ mit
Begeisterung und vollem Einsatz trainiert hätte, jedoch erworbene
Beute war nur schwer wiederzuerlangen bzw. war das Hörzeichen Aus
nur schwer durchzusetzen. Da ich ein nahezu militanter Gegner von
„Dressurhalsbändern“ und „elektrischen Ausbildungshilfen“ bin, habe
ich erkannt, dass ich die besten Erfolge durch extrem ruhiges
Arbeiten erzielen konnte und so machten Alba und ich gute
Fortschritte in der Ausbildung. Ich stellte das
Unterordnungstraining auf Futtermotivation um und verwendete das
Beutespiel ausschließlich als Bestätigung für bestimmte Teilübungen
wie z.B. Hereinrufen, Voraussenden und Bringen.
Besonders beeindruckt haben mich Albas Leistungen in der
Fährtenausbildung. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, weil sie
derart ungestüm an die Arbeit heranging, so dass man meinte, sie
wolle die Fährte nicht erschnüffeln sondern regelrecht im Sturmlauf
überrennen und auffressen, hat sie sehr rasch erkannt, was ich mit
dem Hörzeichen „Such“ meinte. Bedingt durch ihre große Kämpfernatur
hatte sie bereits nach wenigen Trainingseinheiten für einen Hund
ihres Alters relativ lange Fährten erfolgreich ausgearbeitet. Die
größte Überraschung erlebte ich jedoch, als ich ihr erstmals einen
Gegenstand auf die Fährte legte. Alba „wusste“ ganz einfach, dass
ich erwartete, dass sie den Gegenstand liegend verweisen sollte –
oder hat sie das an meiner Körpersprache abgelesen? Wie dem auch
sei, sie machte diese Arbeit perfekt, ohne dass ich sie dazu in
irgendeiner Weise aufforderte. Natürlich gab es auch in der
Fährtenausbildung Höhen und Tiefen und manchmal war ich nahezu
verzweifelt, weil die Hündin trotz eifriger Suche nicht erfolgreich
ausarbeiten konnte. Aber bei nüchterner Analyse, bei der mir meine
Frau immer hilfreich zur Seite stand, war das Ergebnis immer das
gleiche: ich hatte wieder einmal zu viel verlangt und im Übereifer
nicht nur den nächsten Ausbildungsschritt gemacht, sondern gleich
auch noch drei weitere übersprungen! In der Besinnung auf den
richtigen Weg und das richtige Tempo beim Training hatte Alba das
Tief rasch überwunden und wir waren beide wieder zufrieden.
Ein völlig neuer Lebensabschnitt begann für Alba als ich sie im
Alter von ca. zehn Monaten erstmals auf die „Schutzwiese“ mitnahm.
Bis dahin hatte ich mit ihr sehr viel Beutearbeit gemacht, wobei ich
besonderes Augenmerk darauf legte, den Hund nicht zu Sprüngen zu
animieren. Nun war der Zeitpunkt gekommen, wo sie zeigen sollte, wie
sie das erlernte Beutemachen bei einem für sie bis dahin fremden
Helfer umzusetzen im Stande war. Kurz gesagt, ich war begeistert,
wie problemlos sie den Helfer annahm und welchen hervorragenden
Griff sie setzte. Jedoch zeigte sich auch hier, dass es mitunter
schwierig war, Unterordnungsübungen wie Fuß gehen im Beisein des
Helfers durchzuführen. Beute war für meine Hündin nun einmal alles,
was sie wollte. Der Schutzhelfer mit seiner Beute war für Alba stets
im Mittelpunkt ihres Interesses, so dass ein Hörzeichen von mir
häufig unbeachtet blieb. Wieder war meine Phantasie gefordert und
ich nahm die Hündin für einige Wochen aus dem Schutztraining heraus.
Das Spezialprogramm, das ich mir einfallen habe lassen, war
Unterordnungsübungen auf der Schutzwiese zu machen, wobei auf dem
gesamten Gelände verschiedene Beutegegenstände (Bälle, Beißwürste,
Schutzärmel, Fetzen, ...) verteilt lagen. Alba musste bestimmte
Übungen ausführen, bei Erfolg habe ich dann einen Beutegegenstand
aufgehoben und sie damit bestätigt, wobei sie auch hier auf ein
Auslösesignal von mir warten musste. Anfangs dachte ich, ich würde
es nie schaffen, ihr diese „neue“ Arbeit verständlich zu machen.
Aber auch hier belehrte mich meine Hündin eines besseren und bald
durfte sie wieder im Schutztraining arbeiten. Von nun an, war das
Schutztraining immer der Höhepunkt unserer gemeinsamen Arbeit.
Obwohl ich meistens am ganzen Körper stark verschwitzt nach dem
Training den Schutzplatz verlassen hatte, weil das Führen meiner
Hündin manchmal einen richtigen Kraftakt des Hundeführers
erforderlich machte, war es jedes Mal ein erfreuliches Gefühl, zu
sehen welche Fortschritte Alba machte. Stellen und Verbellen,
Flucht, Überfall, Angriff aus der Bewegung und aus der
Bewachungsphase waren bald Routinearbeiten für meine Hündin.
Schwieriger waren nach wie vor die Unterordnungsphasen und das
Auslassen, wobei aber auch hier Fortschritte gemacht wurden.
Jedenfalls fehlte es Alba nicht an Mut und Geschicklichkeit, die an
sie gestellten Anforderungen zu erfüllen, wobei sie meine
Erwartungen in den meisten Fällen bei weitem übertraf.
Im „Privatleben“ jedoch blieb Alba trotz ihrer ständig hohen Arbeitsbereitschaft immer
ein liebevoller, gutmütiger und zu allen Menschen freundlicher Hund.
Egal, ob jemand zu uns auf Besuch kam, insbesondere erwähnt seien
hier die Freundinnen meiner beiden Töchter, oder ob wir bei einem
Spaziergang irgendwelchen bekannten oder fremden Menschen begegneten
oder unerwarteten bzw. neuen Situationen gegenüber standen. Alba hat
immer mit offener Neugierde und durch ihren Mut bedingte
Gelassenheit reagiert sowie im unermesslichen Vertrauen zu mir
getan, was zu tun war. Sie hat jederzeit bewiesen, dass man sich ihr
problemlos nähern und sie berühren konnte, im Gegenteil, sie hat
nach kurzer Kennenlernphase die meisten Menschen zum Spielen
aufgefordert, was manches Mal schon beinahe peinlich war, vor allem,
wenn wir an einen Menschen geraten sind, der Hunden gegenüber nicht
ganz positiv gestimmt war. Briefträger, Gaskassier, Kunden und
Besucher wurden zwar lautstark gemeldet (durch das gesamte
Hunderudel), anschließend aber neugierig beschnuppert und dann, wenn
ich die Menschen begrüßt und hereingebeten habe, wurde ihre
Anwesenheit als Selbstverständlichkeit angesehen. Ich hatte nie das
Gefühl, dass irgendwann eine Situation eingetreten wäre, die in
irgend einer Weise bedenklich oder gar gefährlich gewesen wäre.
Mit etwas mehr als einem Jahr trat ich mit Alba zum ersten Mal bei
einer Prüfung an. Ich absolvierte mit ihr, mehr zu meiner eigenen
Gewöhnung an das Arbeiten mit meinem neuen Hund unter
prüfungsmäßigen Bedingungen als wegen des angestrebten
Ausbildungszieles, eine BGH1-Prüfung. Alba zeigte sich etwas
„aufgekratzt“, aber trotzdem sehr konzentriert und es gelang mir,
die noch vorhandenen Ausbildungsfehler weitgehend zu kompensieren,
so dass wir mit sehr guten 93 Punkten die Prüfung abschließen
konnten. Trotzdem war mir klar, dass immer noch ein weiter Weg zu
unserer geplanten Sportkarriere vor uns lag. Fleißiges und
regelmäßiges Trainieren war weiterhin auf der Tagesordnung. Dies
führte unter anderem dazu, dass Alba so fixiert auf die Arbeit war,
dass sie einen Trainingsausfall nur schwer dulden wollte. Das
gemeinsame Training fehlte ihr offensichtlich und eine
krankheitsbedingte Pause von einigen Tagen hätte beinahe zu einer
„inneren Explosion“ der Hündin geführt.
Ausbildungsmäßig waren wir auf dem Weg zur SchH1, als mir ein
eigenartiges Verhalten von Alba auffiel. Ich wollte die Symptome
vorerst nicht wahrhaben und ignorierte sie. Alba machte extreme
Schwierigkeiten beim „Aus“, egal ob im Schutzdienst oder in der
Unterordnung (Bringübung, Beutebestätigung). Ich dachte zuerst, dass
jetzt, mit ungefähr zwei Jahren, ein letztes Auflehnen gegen meine
Autorität einsetzen würde und versuchte hier entsprechend durch
Korrekturmaßnahmen gegenzuwirken. Dies führte jedoch nicht zum
gewünschten Erfolg. Ich entschied mich daher, Alba wieder
vorübergehend aus dem Schutztraining herauszunehmen und das „Aus“
mit betonter Ruhe und Konzentration als eigene Übungssequenzen zu
trainieren. Aus der angepeilten SchH1-Prüfung am 7. April 2001 wurde
daher „nur“ eine FH1-Prüfung, bei der Alba erstmals ihre Leistungen
auf der Fährte einem Leistungsrichter vorführte. Ich fand, dass wir
für ein erstes Antreten auf der Fährte streng aber gerecht beurteilt
wurden und so war ich auf die erreichten 93 Punkte sehr stolz.
Weniger gut war die Leistung in der Unterordnung, denn dieser Teil
wurde im Training in den letzten Wochen vor der Prüfung zu Gunsten
des „Aus-Trainings“ zurückgestellt. Daher schnitten wir hier nur mit
80 Punkten eher schwach ab.
Immer noch hatte ich keine Ahnung von der bevorstehenden
Entwicklung, jedoch die bittere Wahrheit traf mich aus heiterem
Himmel. Alba sprach auf das „Aus-Training“ relativ gut an und wir
erzielten erste, schöne Erfolge mit diesem Programm. Am 23.4.2001
trainierten wir, wie immer gemeinsam und ich war glücklich über die
gute Arbeit, die Alba gezeigt hatte. Doch am nächsten Morgen wollte
meine Hündin ganz entgegen ihrer sonstigen Art nicht aus ihrer
Schlafbox herauskommen. Ich musste sie mehrmals auffordern und
locken. Als sie dann endlich aufstand, sah ich, dass sie den rechten
Hinterlauf nicht strecken und auch nicht auftreten konnte. Sie litt
offensichtlich unter starken Schmerzen. Sofort half ich ihr ins Auto
und fuhr zu meiner Tierärztin. Die erste Diagnose lautete auf
Verdacht einer Bänderverletzung und wir wurden in eine Tierklinik
überwiesen. Nach einer sehr eingehenden und sehr schmerzhaften
Untersuchung, die Alba mit ungeheurer Geduld über sich ergehen ließ,
wurden wir zum Röntgen geschickt. Es wurden Aufnahmen der Hüfte und
der beiden Kniegelenke angefertigt. Dann stürzte die Diagnose wie
ein Keulenschlag über mich herein: laienhaft ausgedrückt hatte Alba
schwerste HD mit ausgeprägten knöchernen Deformationen beider
Hüftgelenke. Die augenblicklichen Beschwerten stammten von einem
akuten Arthrosenschub als Folge einer chronischen Gelenkserkrankung.
Und ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nichts davon bemerkt! Nach
Aussage des Arztes musste Alba seit mindestens einem Jahr,
wahrscheinlich jedoch seit ihrer Geburt, bei jedem Schritt unter
mehr oder minder starken Schmerzen in den Hüften gelitten haben.
Durch ihre hochmotivierte Veranlagung hatte sie diese Schmerzen
immer unterdrückt und ohne sichtliche Anzeichen ertragen. Plötzlich
war mir klar, warum das Auslassen für Alba auf einer negativen
Verknüpfung beruhte: ich verlangte das Aus entweder im Sitzen oder
wurde unmittelbar nach dem Aus ein Sitz verlangt. Sitzen musste aber
für meine Hündin immer mit Schmerz in den Hüften verbunden gewesen
sein, daher: Aus bedeutet Schmerz, der in den letzten Wochen in
heftiges „Beuteschütteln“ oder Kontern kanalisiert wurde. Auch die
schwächer werdenden Leistungen in der Unterordnung waren damit
einfach zu erklären. Welche Schmerzen muss die Hündin beim Sprung
über die Hürde verspürt haben! Selbstverständlich wollte sie daher
den Rücksprung nicht gerne ausführen, selbstverständlich setzte sie
beim Sprung auf der Hürde auf! Und ich hatte es nicht zu deuten
gewusst! Meine geliebte Hündin war schwerst krank.
Alba bekam vorerst eine schmerzstillende Injektion und ich bekam die
möglichen Alternativen einer Behandlung präsentiert. Nichts zu tun
würde bedeuten, dass die Hündin immer wieder und in immer kürzeren
Abständen sehr schmerzhafte „Schübe“ zu ertragen haben würde, bis in
etwa sechs bis zwölf Monaten keine Hilfe mehr möglich sein würde.
Außerdem bestünde die Gefahr, dass durch andauernde Verabreichung
von schmerzstillenden Medikamenten innere Organe angegriffen oder
zerstört werden würden. Eine Operation mit dem Ziel eine
Hüftgelenksprothese zu implantieren könnte Abhilfe schaffen, jedoch
wäre ein Erfolg dieser Operation abhängig von vielen
Einflussfaktoren. Insbesondere müsste strengstes Augenmerk darauf
gelegt werden, dass die Hündin keinesfalls irgendwelche Entzündungen
oder Infektionen haben darf. Eine Hals-, Augen-, Ohren- oder
Zahnentzündung, eine Kratzwunde, eine Virusinfektion etc. würden den
möglichen Erfolg zunichte machen. Weiters müsste die Hündin über
einen Zeitraum von zu mindest vier Wochen ab dem Operationstermin
absolut ruhig gestellt werden, das heißt, sie dürfte gerade mal an
der kurzen Leine Gassi gehen und dann wieder ab in die Schlafbox!
Und es steht zu befürchten, dass die ganze Prozedur drei bis sechs
Monate später auf der zweiten Seite (linke Hüfte) wiederholt werden
müsste. Jedenfalls ist sicher, dass eine derartige Operation ein
massiver Eingriff in den Organismus eines Hundes darstellen würde.
Die Aussichten nach einer gelungenen Operation waren die, dass der
Hund zwar wieder „normal“ gehen können würde, aber eine
hundesportliche Betätigung und unser gewohntes intensives Training
wären mit hoher Sicherheit nicht mehr möglich.
Für mich stand die schlimmste Zeit meines bisherigen Lebens bevor.
Alba reagierte gut auf die Schmerzbehandlung und begann nach zwei
Tagen, wie gewohnt, ihre Trainingseinheiten zu fordern. Ich wusste
aber, dass jeder Schritt, den sie tat vielleicht den nächsten Schub
auslösen könnte. Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist es nicht
möglich „Schontraining“ zu machen. Nicht zu trainieren führte aber
sofort wieder zum bereits oben beschriebenen Fordern nach Tätigkeit! Ich nahm mir
drei Wochen Zeit, um mit vielen Freunden zu erörtern, was wohl für
meinen Hund die beste Lösung sei und holte auch weitere
tierärztliche Ratschläge ein. Die nahezu einstimmige Meinung aller
Befragten mit Ausnahme jener beiden Tierärzte, die eine Operation
durchführen würden, lautete, ich solle Alba nicht weiter quälen und
sie so rasch als möglich von ihren Schmerzen erlösen lassen. Das
sagt sich leicht und ein vernünftig denkender Mensch muss sich unter
den gegebenen Umständen fast zwangsläufig dieser Meinung
anschließen, aber wo bleibt die Vernunft, wo es doch um meine Alba
geht?
Ich kann meine inneren Qualen nicht in Worte fassen, jedoch hatte
ich ein ständiges Schuldgefühl, jedes Mal, wenn ich meine Hündin
auch nur ansah und noch mehr, wenn sie nach einem unbedachten
Schritt wieder einmal den rechten Hinterlauf schmerzhaft einzog. Und
trotzdem wollte sie mit mir Arbeiten und verstand mich und die Welt
nicht mehr. Für sie hatte sich im wahrsten Sinne über Nacht alles
geändert und sie litt nicht nur unter Hüftgelenksschmerzen sondern
auch unter dem psychischen Schmerz, nicht mit mir arbeiten zu
dürfen. So kam der 14.5.2001 heran. Ein Tag wie jeder andere! Ich
hatte, wie in den vergangenen Wochen üblich, in der Nacht kaum
geschlafen, wusste ich doch, was der Tag bringen würde. Alba habe
ich nach Möglichkeit nichts von meiner Entscheidung spüren lassen.
Sie wurde abends gefüttert, wie immer und ging ganz normal schlafen.
Am Morgen rief ich meine Tierärztin an und teilte ihr meinen
Entschluss mit. Dann fuhr ich alleine mit Alba zur Ärztin. Nach
kurzer, sehr schlimmer Wartezeit wurden wir in die Ordination
gebeten und Alba ging ihren letzten Weg. Sie wurde am Boden des
Behandlungsraumes mit einer intravenösen Injektion in eine
„Sturznarkose“ versetzt. Als die Ärztin die Spritze ansetzen wollte,
wich meine Hündin zurück. Ihre Augen sagten mir, in unsere Sprache
übersetzt, ungefähr folgendes: „Ich will das nicht, aber, Herrl,
wenn du glaubst, dass das gut für mich ist, dann tun wir´s eben!“.
Sie ist in meinen Armen eingeschlafen und ich schäme mich meiner
Tränen nicht, als die tödliche Injektion nachgesetzt wurde. Die
Tierärztin hat mir gestattet, noch einige Momente allein bei meiner
toten Hündin zu bleiben. Dann habe ich Albas leblosen Körper in den
Garten der Ordination getragen und auf einer Decke abgelegt. Nach
einem letzten Blick habe ich sie für immer verlassen. Ich werde nie
mehr ihre lautstarke Begrüßung hören. Nie mehr werde ich mit ihr
trainieren dürfen. Und nie werde ich sie vergessen können. Albas
Leben war nur sehr kurz, aber ich glaube, durch ihre innere Uhr
getrieben, hat sie in dieser kurzen Zeit vielleicht sogar mehr
erlebt, als ein anderer Hund in zehn Jahren. Ich bedanke mich bei
ihr, für die tolle Zeit, die ich mit ihr gehabt habe!
Vielleicht fragen Sie sich, warum ich diese Zeilen überhaupt
geschrieben habe. Die Antwort ist nicht ganz einfach, aber sicher
nicht aus masochistischen Überlegungen (obwohl während des
Schreibens genug Tränen geflossen sind), auch nicht, weil ich
erhoffte, dadurch meine Schuldgefühle los zu werden. Vielleicht
deshalb, weil ich noch immer nicht mit einem Menschen darüber reden
kann, was ich an jenem 14. Mai empfunden habe, vielleicht, weil es
einfacher ist, Gedanken zu formulieren und in eine Maschine zu
tippen, vielleicht auch deshalb, weil dies ein Teil der Trauerarbeit
ist, die man erst ableisten muss, wenn man neu beginnen will. Und
ich werde neu beginnen, mit einer kleinen Hündin, die heute gerade
sieben Wochen alt ist. Trotzdem wird Alba in Gedanken immer bei mir
bleiben und wenn ich in diesem Leben ganz brav bin, vielleicht darf
ich dann im nächsten ein Hund werden und mit Alba und meinem ganzen
Rudel durchs Leben tollen.